Ein ganz wichtiger Punkt den Marc Raschke hier macht. Mir persönlich graut es vor dem Gedanken, dass die Leute bis 70 Jahre weiter arbeiten. Nicht nur für sie selbst – sie blockieren dann jede Veränderung.

Und Veränderung ist jetzt der Normalzustand.

Gestern habe ich in einer Statistik der Europäischen Union gelesen, dass in Deutschland (nach Bulgarien) die Menschen wohnen, die am wenigsten zufrieden mit ihrem Leben sind.

Ein möglicher Grund: Als Kultur ist uns Deutschen extrem wichtig “korrekt” und “präzise” zu sein. Wir ziehen unser Selbstverständnis daraus, dass man sich auf uns blind verlassen kann. Planbar.

Das hängt mit unserem großen Unbehagen gegenüber Ungewissheit zusammen, dass schon Geert Hofstede wissenschaftlich untersucht hat.

Und genau das könnte die Wurzel unserer mangelnden Zufriedenheit sein. Denn wir leben in einer Welt in der gar nichts mehr “richtig”, “korrekt” und “präzise” ist.

Erstens verändert sich die Welt selbst ständig. Und damit natürlich auch was “richtig” ist. Zweitens hängt “richtig” und “falsch” immer davon ab, was man denn eigentlich erreichen will.

Und das ist bei jedem Menschen anders. Das schafft noch mehr Ungewissheit, denn es bedeutet das es keine absolute, sondern nur noch eine relative Version von “korrekt” gibt.

Als Folge davon ist alles was wir selbst sagen, glauben, tun: “Vorläufig. Unter Vorbehalt. Bitte schauen Sie ins Kleingedruckte für die Konditionen.”

Und das greift unser Selbstverständnis an. Wir fühlen: Wir sind (durch die reale Welt gezwungen) nicht mehr “absolut zuverlässig”.

Mark Mason weist in “The subtle Art of not giving a fuck” darauf hin: Wer von der Annahme ausgeht, dass er Recht hat, kann nur verlieren.

Und wenn wir von der Grundannahme ausgehen, dass wir falsch liegen?

Wenn wir immer vermuten, dass wir nicht alles wissen, dass wir nicht alle Informationen haben und dass sich die Sachlage auch noch dauernd ändert?

Dann eröffnet uns die Annahme “Ich irre mich” die Möglichkeit nachzufragen, zu lernen und eine neue Version unserer Wirklichkeit anzunehmen. Die ist dann immer noch falsch – aber wenigstens ein bisschen weniger falsch.

Und das ist Fortschritt.

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