Als Arbeitnehmer im Ausland: Was müssen Expats beachten?

Sie haben eine Stelle zu vergeben, finden aber keinen geeigneten Bewerber? Hallo Fachkräftemangel. Expats können eine Lösung sein. Doch erst 13 Prozent der deutschen Firmen suchen weltweit.

Ein Arbeitnehmer sollte Deutsch „on the job“ lernen

Chris Pyak
  • Unternehmen werden in Zukunft auf Fachkräfte aus dem Ausland setzen müssen
  • Doch gerade einmal 13 Prozent der deutschen Betriebe rekrutieren weltweit
  • Das größte Hindernis beim Fachkräftemangel ist der Personaler

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Berlin, München, Köln und Stuttgart. Stellen Sie sich diese vier Städte komplett menschenleer vor. Dieses Bild veranschaulicht, wie viele Fachkräfte in den kommenden zehn Jahren den Arbeitsmarkt verlassen werden, ohne dass es Berufseinsteiger gibt, die sie ersetzen. Die Generation Z ist weniger als halb so groß wie die Babyboomergeneration. Die brutale Wahrheit ist: Zwei Arbeitnehmer verlassen den Arbeitsmarkt, nur ein Berufseinsteiger folgt – und die Arbeitgeber verlieren.

Wandern Sie gedanklich durch die verwaisten Straßen von München, genießen Sie die Stille im verlassenen Kölner Dom und die trostlose Einsamkeit auf dem Alexanderplatz. Sie haben einen tollen Arbeitsplatz und eine Stelle zu vergeben? Klasse. Sie können trotzdem niemanden einstellen, denn es ist niemand da.

Neue Fachkräfte können nur aus dem Ausland kommen. Doch deutsche Arbeitgeber stehen sich selbst im Weg. Denn jeder Personaler, mit dem ich spreche, sagt: „Aber etwas Deutsch sollten die Kandidaten schon können.“ Nur 17 Prozent der Betriebe rekrutieren im europäischen Ausland, gerade einmal 13 Prozent suchen weltweit.

Unternehmen wählen die falschen Ausschlusskriterien

Lassen Sie uns diese Vorstellung genauer betrachten: Sie suchen eine hoch qualifizierte Fachkraft, die in einem ganz speziellen Aufgabengebiet Erfahrung hat. Die Nadel im Heuhaufen. Sie suchen aus der gesamten Weltbevölkerung den Kandidaten …

  • … mit dem passenden Berufsabschluss
  • … und Zusatzausbildung/Erfahrung in dem speziellen Themenfeld
  • … der zufällig gerade einen neuen Job sucht
  • … sich vorstellen kann ins Ausland zu ziehen
  • … neben den USA, UK, Singapur und China auch Deutschland in Betracht zieht
  • … dabei Ihr Unternehmen ins Auge fasst
  • … und zusätzlich auch noch Deutsch spricht

Und ich wünsche mir ein Pony. 118 Millionen Menschen sprechen Deutsch als Mutter- oder Zweitsprache. 2012 ging man davon aus, dass insgesamt 185 Millionen Menschen die deutsche Sprache beherrschen. Davon leben 100 Millionen Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die restlichen 85 Millionen machen etwa ein Prozent der Weltbevölkerung aus. Sie sagen also: „Ich will 99 qualifizierte Kandidaten ablehnen, um den einen einzustellen, der zufällig auch noch Deutsch kann.“ Haben Sie denn 100 Bewerber für diese Position? Dann nur zu.


Worauf Expats vor dem Berufsstart in Deutschland beachten müssen? Lesen Sie hier acht Tipps unseres Gastautors Malte Zeeck.


Auf Englisch einstellen und Deutsch „on the job“ lehren

Wir sprechen heute vom Fachkräftemangel, doch bisher ist der Himmel nur bewölkt. Das Gewitter kommt erst noch. Wissen Sie, wie viele Ihrer Mitarbeiter in den nächsten fünf Jahren in Rente gehen? Bei der Stadtverwaltung Düsseldorf sind es 30 Prozent. Und bei Ihnen?

Wer den Fachkräftemangel strategisch lösen will, muss auf Englisch einstellen und Deutsch „on the job“ lehren. Dann steht Ihnen die ganze Welt offen. Buchstäblich. „Das geht nicht!“, halten mir Manager immer wieder entgegen. Seltsam, dass ich täglich erlebe, dass es doch geht. Die Einschätzung „Dafür braucht man Deutsch“ ist nach meiner Erfahrung meist eine emotionale Reaktion, nicht das Ergebnis einer sorgfältigen Analyse von Zielen und Herausforderungen. Das bringt mich zum größten Hindernis für eine strategische Lösung des Fachkräftemangels: dem Personaler.

Schaffen Sie sich 99 Prozent der Konkurrenz vom Hals

Kaum ein Personaler kann diese einfache Frage beantworten: „Welches Ergebnis muss der Kandidat erreichen, um in dieser Position erfolgreich zu sein?“ Erst wenn Sie die zu erreichenden Ziele konkret definieren, können Kandidaten aufzeigen, wie sie diese Ziele erreichen würden. Die meisten Personaler ähneln jedoch einem Schiedsrichter, der nicht weiß, dass es beim Fußball ums Toreschießen geht. Und der soll die Spieler bewerten?

Mein Rat an Arbeitgeber: Definieren Sie zuerst die Ziele und überlassen Sie es den Kandidaten, aufzuzeigen, wie sie diese Ziele erreichen werden. Dann können Sie auch englischsprachige Fachkräfte einstellen und damit die besten Kandidaten, die es gibt. Im gesamten Jahr 2016 wurden 634.000 Zuzüge von EU-Bürgern nach Deutschland registriert. Gemeinsam mit Textkernel BV fanden wir heraus, dass sie nur auf 22.000 englischsprachige Jobs treffen. Denn nur ein Prozent der deutschen Firmen stellen auf Englisch ein – im Juli 2017 schalteten nur 5500 von 350.000 deutschen Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern ihre Stellenanzeigen auf Englisch. Schaffen Sie sich 99 Prozent der Konkurrenz vom Hals. Auch kleine Firmen können großartige Leute einstellen – wenn sie der einzige Arbeitgeber sind, der auf Ergebnisse schaut statt auf Sprache.


Diskutieren Sie mit, liebe Leserinnen und Leser: Sind Sie selbst Expat, haben Sie einen Expat eingestellt oder arbeiten Sie mit einem zusammen? Was sind Ihre Erfahrungen?

Veröffentlicht:

Chris Pyak
© Chris Pyak
Chris Pyak

Geschäftsführer, Immigrant Spirit GmbH

Chris Pyak vermittelt internationale Fachkräfte an deutsche Manager. Im Gespräch können Expatriates die tatsächlichen Ziele und Herausforderungen des Managers verstehen und durch Beispiele aus ihrer eigenen Karriere belegen, wie sie die gewünschten Ergebnisse erreichen. Das erlaubt dem Manager, hervorragende Mitarbeiter zu gewinnen, die von HR regelmäßig übersehen werden. In der Vergangenheit hat Chris Pyak als Personalberater sowie als Journalist gearbeitet. Heute ist er ausschließlich für die Kandidaten tätig.

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